Eine schöne Utopie
Schule könnte so schön sein, wären da nicht die Hausaufgaben. Gerade notorisch langweilige Themen wie Vokabeln sorgen immer wieder für Frust bei Schulpflichtigen. Da stellt sich doch die Frage, wie man Schülerinnen und Schüler motivieren kann – oder sogar am Ende für das Lernen begeistern?
In jedem Unterrichtsfach kommt früher oder später der Augenblick, in dem selbst die mitreißendste Lehrkraft die Schüler(innen) dazu verdonnern muss, sich zuhause auf den eigenen Hosenboden zu setzen und ein paar Fakten auswendig zu lernen. Lateinische Begriffe, Jahreszahlen, Vokabeln – was muss, das muss. Und während sich in Didaktik, Medien für den Unterricht oder Digitalisierung in Deutschland in letzter Zeit einiges tut, ist in Sachen Faktenlernen doch tatsächlich seit den 1970ern rein gar nichts passiert. Nach wie vor ist die beliebteste und meist angewandte Methode des Lernens die gute alte Karteikarte.
Dabei haben wir heutzutage dank modernster Technik nie geahnte Möglichkeiten, und auch in der Lernforschung tut sich enorm viel. Nur irgendwie kommt in der Praxis fast nichts davon tatsächlich im Schulalltag an. Dieser Umstand wurmte den Sprachforscher Dr. Christian Ebert so sehr, dass er die wissenschaftliche Theorie endlich in die Tat umsetzen wollte: »Wir stehen vor einer digitalen Revolution und müssen uns unbedingt Gedanken machen, wie wir das Bewährte aus dem Analogen retten und das Neue aus dem Digitalen nutzen können.«
Und so hängte Dr. Ebert seinen sicheren Job an der Uni Tübingen an den Nagel und gründete 2017 mit einem kleinen Team »cabuu«. Ziel des jungen Startups war es, das Faktenlernen ins 21. Jahrhundert zu holen und Schüler(innen) für die notorisch langweiligen Themen wie Vokabellernen zu begeistern. Möglich machen soll es das gestische Lernen. Und natürlich der Spaßfaktor.
Mit Gesten zum Erfolg
Nun ist hinlänglich bekannt, dass es sich weitaus besser lernt, wenn mehrere Sinne gleichzeitig aktiviert werden. Ebenso bekannt ist, dass zusätzliche Bewegung das Erinnerungsvermögen steigert. Was wäre also, wenn man beispielsweise beim englischen Vokabelpaar »to wave« (winken) tatsächlich eine Wink-Bewegung vollführt?
Man spricht hier vom »Enactment effect«. Einfacher gesagt: Dinge lassen sich besser verinnerlichen, wenn man nicht nur davon gehört oder darüber gelesen hat, sondern selbst aktiv wird. Dabei werden neuronale Verknüpfungen zwischen Sprachverstehen und Handlung aktiviert, die dazu führen, dass sich Lernende Fakten schneller einprägen als beim passiven Ablesen von Karteikarten. In diesem Zusammenhang weniger bekannt ist, dass es nicht immer die großen Gesten oder Bewegungen sein müssen. Fingergesten an einem Touchscreen reichen auch schon aus.
Wunderwaffe Touchscreen
Denn genau dieses Feld hat Dr. Ebert jahrelang an der Universität Tübingen erforscht, und die Studienergebnisse waren eindeutig: Der Lerneffekt profitiert enorm von Fingergesten auf einem Touchscreen.
In Experimenten lernten Versuchsteilnehmende Vokabeln auf unterschiedliche Arten: Einige nur mit Text (wie mit herkömmlichen Karteikarten oder einem Vokabelheft), andere mit Bildern (wie in manchen Büchern und Apps) oder, indem sie eine zum Wort passende Geste ausführen (z.B. für »trinken« - ein Glas zum Mund führen). Das Lernen mit Gesten war der klare Gewinner, und die kleinen Fingergesten am Touchscreen konnten dieselben hervorragenden Ergebnisse erzielen.
Im Gegensatz zu den guten alten Karteikarten bringen die smarten Minicomputer einen weiteren Vorteil mit sich, weil sie interaktiv sind. Während wir Karteikarten nur passiv anstarren, kann ein Smartphone oder Tablet viele Sinne gleichzeitig ansprechen und die Lernenden aktiv werden lassen. Am konkreten Beispiel der »cabuu-App« werden Vokabeln durch eine Animation gezeigt (visuell), von einem Native-Speaker vorgelesen (auditiv). Anschließend muss noch eine Fingergeste ausgeführt werden (haptisch und motorisch). Die Schüler(innen) befassen sich also mit allen Sinnen mit ihren Vokabeln. Und haben auch noch Spaß dabei.
Die Zukunft des Vokabellernens
Womit wir beim eigentlich Faszinierenden an dieser Idee angelangt wären. Schülerinnen und Schüler merken auf einmal gar nicht mehr, dass sie lernen. Weil es so spielend leicht von der Hand geht, diverse Sinne beschäftigt sind und man auch irgendwie Spaß bei der Sache hat. Und das beim Vokabeln-Lernen. Dieser Kniff gelingt durch einfache Spiele-Elemente wie Errungenschaften, die beim Lernen in der App freigeschaltet werden können, Level-Aufstiege oder einfach ansprechendes Design. Im Anschluss an jede Lektion wird der Erfolg gefeiert, belohnt und die Motivation steigt. Plötzlich wollen die Lernpflichtigen weitermachen, die Rechtschreibübungen wiederholen oder sich noch einmal abfragen lassen.
Im Gegensatz zu Karteikarten kann eine App wie cabuu mit den Schülerinnen und Schülern in Interaktion treten und obendrein die intrinsische Motivation steigern. Der Lernerfolg stellt sich auf diese Art fast nebenbei ein. Man kann eben doch so ziemlich alles lernen, wenn es richtig vermittelt wird. In diesem Fall ist es die Kombination aus lernwissenschaftlichen Erkenntnissen, moderner Technik und spielerischen Elementen, die schaffen kann, wovon viele Lehrkräfte und Eltern oft nur träumen – dass Schülerinnen und Schüler Vokabeln lernen. Nicht, weil sie es müssen, sondern weil es ihnen Spaß macht. Na, wenn das mal kein Schritt in die richtige Richtung ist.
Es ist also kein Wunder, dass sich die cabuu-App immer größerer Beliebtheit erfreut, immerhin war Vokabeln lernen noch nie so einfach. Das gilt nicht nur für die Lernmethode an sich, sondern auch für die Handhabung. Per Scanfunktion lassen sich Vokabellisten in wenigen Sekunden in die App übertragen und man hat alle Vokabeln immer und überall dabei. Und dank der eingebauten KI werden Lernpläne erstellt und Vokabeln, die der Nutzer sich schwer merken kann, besonders intensiv geübt. Effektiver lernen kann man gar nicht.
Über 1,3 Millionen Mal wurde die App inzwischen in GooglePlay und AppStore heruntergeladen und dutzende Schulen haben Schullizenzen erworben. Auch die großen Schulbuchverlage haben das Potenzial erkannt, seit Herbst 2022 arbeitet Cornelsen intensiv mit cabuu zusammen und nutzt die cabuu-Methode nun sogar für die eigene Grundschul-Vokabel-App. Dr. Ebert freut sich sehr über diese Entwicklung - endlich kommen wieder wissenschaftliche Erkenntnisse im Schulalltag an und katapultieren uns ins 21. Jahrhundert.